Zeitenwende – welcher Fels ist der Richtige? Gedanken zur Papstwahl
- office76112
- 29. Apr.
- 3 Min. Lesezeit

Immer wieder stoße ich in den biblischen Erzählungen auf Momente, die mich innehalten lassen, die mich herausfordern, meine „eingelernten“ Perspektiven zu hinterfragen. Einer dieser Momente, ein wahrer Wendepunkt der Zeiten, findet sich inmitten der dramatischen Ereignisse von Ostern: die Begegnung des auferstandenen Jesus mit Maria Magdalena.
Es ist eine Szene von intimer Tiefe und gleichzeitig von weltverändernder Tragweite. Maria, getragen von ihrer tiefen Liebe und Trauer, sucht am leeren Grab nach dem Leichnam ihres Herrn.
Und dort, wo sie Verzweiflung erwartet, begegnet ihr das unfassbare: der auferstandene Christus selbst. Er spricht sie an, beauftragt sie – eine Frau – mit einer Botschaft, die die Welt für immer verändern sollte: "Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott." (Johannes 20,17).
HALT!
An dieser Stelle darf ich nicht achtlos vorübergehen. Stellen wir uns die gesellschaftlichen Realitäten der damaligen Zeit vor. Im Judentum des ersten Jahrhunderts, ebenso wie in der griechisch-römischen Welt, war die Rolle der Frau im öffentlichen und religiösen Leben stark eingeschränkt. Ihre Zeugenaussagen galten oft als weniger verlässlich als die von Männern. In solch einem Kontext erscheint die Wahl Jesu, gerade einer Frau die allererste Botschaft seiner triumphierenden Auferstehung anzuvertrauen, geradezu revolutionär.
Warum also Maria? Warum nicht Petrus, der Fels, auf den Jesus seine Gemeinde bauen wollte? Warum nicht einer der anderen Jünger, die Jesus während seines gesamten öffentlichen Wirkens begleitet hatten? Die Antwort mag in der tiefen Liebe und unerschütterlichen Treue Marias liegen, die sie als Erste zum Grab führte. Doch vielleicht liegt darin auch eine tiefere theologische Botschaft verborgen, ein Zeichen, dessen volle Bedeutung wir als Menschheit vielleicht erst nach fast zweitausend Jahren wirklich zu erfassen beginnen.
Man könnte argumentieren, dass die anfängliche Skepsis der Jünger gegenüber Marias Bericht (Markus 16,11) die damaligen Vorurteile widerspiegelte. Es brauchte weitere Begegnungen und Beweise, um ihren Unglauben zu überwinden. Doch gerade in dieser anfänglichen "Fehlinterpretation" der ersten Stunde, in der die Stimme einer Frau zunächst angezweifelt wurde, liegt eine bemerkenswerte Ironie. Der Grundpfeiler des christlichen Glaubens, die Auferstehung Jesu, ist untrennbar mit dem Zeugnis einer Frau verbunden.
Gerade jetzt, da wir uns auf eine bedeutende Zeit in der Geschichte der katholischen Kirche zubewegen – das Konklave am 7. Mai 2025 zur Wahl eines neuen Papstes –, drängt sich mir diese Osterbotschaft mit neuer Dringlichkeit auf. Und in dieser Stunde des Übergangs dürfen wir dankbar auf die Vorarbeit des verstorbenen Papst Franziskus blicken. Sein engagierter Einsatz für den synodalen Weg hat in den letzten Jahren eine entscheidende Basis dafür geschaffen, dass solche tiefgreifenden Erkenntnisse über die Rolle aller Gläubigen in der Kirche auf fruchtbaren Boden fallen können. Der synodale Prozess hat einen Raum des Zuhörens und des gemeinsamen Unterscheidens eröffnet, der es ermöglicht, überkommene Strukturen zu hinterfragen und neue Wege des Miteinanders zu suchen.
Die Wahl Marias als erste Verkünderin des Lebens über den Tod hinaus war ein klares Zeichen, das die starren Geschlechterrollen seiner Zeit in Frage stellte. Sollte diese Osterbotschaft, die nun durch die Erfahrungen und Einsichten des synodalen Weges neu beleuchtet wird, nicht auch für die anstehende Papstwahl ein zentraler Aufbruchsgedanke sein? Eine Einladung, die von Papst Franziskus begonnene Öffnung der Kirche weiterzuführen, die Gleichwertigkeit aller Getauften anzuerkennen und die vielfältigen Gaben und Perspektiven von Frauen in allen Bereichen kirchlichen Lebens endlich voll zur Entfaltung zu bringen?
Die Zeitenwende von Ostern selbst, in ihrem Kern verbunden mit dem mutigen Zeugnis einer Frau, fordert mich und uns als Kirche auch heute noch heraus. Sie erinnert uns daran, dass göttliche Offenbarung sich oft jenseits der traditionellen Machtzentren zeigt und dass wahre Stärke in der Liebe und im Glauben liegt, unabhängig von Geschlecht oder gesellschaftlichem Status. Der synodale Weg hat uns gelehrt, aufeinander zu hören und gemeinsam nach dem Willen Gottes zu suchen. Möge die bevorstehende Papstwahl von diesem Geist des Aufbruchs durchdrungen sein, damit die Kirche, aufbauend auf dem Fundament des synodalen Prozesses, in neue Zeiten aufbrechen kann, in denen die befreiende Botschaft der Gleichwertigkeit aller Menschen, die in dieser ersten Begegnung aufscheint, endlich umfassend gelebt und verkündet wird.



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